Liebe Angehörige der Universität,
liebe Studierende,
seit dem 24. Februar 2022 sind wir nun zum ersten Mal seit 1939 wieder mit einem Angriffskrieg durch einen Diktator auf ein benachbartes Land konfrontiert – eine Situation, die ich mir nicht habe vorstellen können und wollen. Die veränderte Lage nach dem Überfall von Russland auf die Ukraine, die Putin unter den an Zynismus kaum noch zu überbietenden Vorwand der „Entnazifizierung“ gestellt hat, hinterlässt uns fassungslos. Das Leiden und Sterben in der Ukraine muss beendet werden, ein Waffenstillstand muss schnellstmöglich erreicht werden. Aber auch wir in Göttingen sehen nun ganz unmittelbar die Ankunft von Geflüchteten hier bei uns in der Region und spüren so, dass der Krieg nicht weit weg ist.
Diese Zäsur, diese Zeitenwende, welche die schrecklichen Ereignisse in der Ukraine in vielen Bereichen von Politik und Gesellschaft nach sich ziehen, hat auch Auswirkungen auf das gesamte Wissenschaftssystem: Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) fordert, alle Forschungskooperationen mit Russland auf Eis zu legen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) setzt alle Kooperationen zwischen deutschen und russischen Wissenschaftler*innen aus. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) beendet die Zusammenarbeit mit russischen Partnereinrichtungen in Forschung und Lehre bis auf Weiteres.
Dies bedeutet de facto das Ende gemeinsamer Forschungsprojekte, des Austauschs von Wissenschaftler*innen und Studierenden und gemeinsamer Studiengänge. Auch die Europäische Kommission beendet die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit russischen Forschungseinrichtungen. Russische Institutionen sollen demnach keine neuen Förderungen aus dem EU-Forschungsprogramm Horizon Europe erhalten, bei bereits bestehenden Förderverträgen werden die Zahlungen an russische Einrichtungen ausgesetzt, alle laufenden Kooperationsprojekte mit russischer Beteiligung werden überprüft.
Bei all diesen harten Maßnahmen darf die Frage gestellt werden, ob damit nicht eigentlich die Falschen getroffen werden, zumal sich in der russischen Wissenschaft auch Stimmen finden, die sich ganz deutlich und mit hohem persönlichen Risiko gegen die russische Invasion wenden. Nun hat sich aber die russische Union der Hochschulrektoren explizit hinter Putin gestellt und unterstützt dessen „hart erkämpfte, aber notwendige Entscheidung“. Damit hat sich die offizielle Repräsentanz des russischen Wissenschaftssystems zu unser aller Entsetzen zum Angriffskrieg gegen die Ukraine bekannt, so dass die prompte Reaktion der European University Association (EUA), die Mitgliedschaft russischer Universitäten in dieser Allianz auszusetzen, nur begrüßt werden kann.
Uns ist bewusst, dass die Tragweite dieser Entscheidungen nicht zu unterschätzen ist und auch negative Wirkungen auf die hiesige Wissenschaft haben wird. Dennoch sollte uns klar sein: Russland muss unter Druck gesetzt werden, damit dieser Krieg beendet wird. Dass hier auch Kollateralschäden entstehen, ist tief zu bedauern und sollte zu einem letzten Punkt dieses zugegebenermaßen wenig erbaulichen Vorwortes überleiten: Der russische Angriffskrieg muss in aller Härte verurteilt und als das benannt werden, was er ist – ein nicht zu akzeptierender Angriff auf die Menschen in der Ukraine, auf deren Freiheit und auf unsere gemeinsamen Werte, wie sie auch in unserem Leitbild formuliert sind: „Die Universität bekennt sich zum Frieden und zur Gerechtigkeit in der Welt.“
Prof. Dr. Bernhard Brümmer
Vizepräsident für Forschung
Dear Staff, dear Students,
Since 24 February 2022, and for the first time since 1939, we have been confronted with a war of aggression by a dictator on a neighbouring country – a situation I could not and would not have imagined. The changed situation following Russia’s invasion of Ukraine – committed by Putin under the pretext of „denazification“, which could not be surpassed in cynicism – leaves us stunned. The suffering and death in Ukraine must be stopped; a ceasefire must be reached as soon as possible. And we in Göttingen are now also witnessing for ourselves the arrival of refugees here in our region, and we have the feeling that war is not far away.
This watershed moment, this turning point in history, which the terrible events in Ukraine are causing in many areas of politics and society, also has an impact on the entire academic system: Lower Saxony’s Ministry for Science and Culture (MWK) is calling for all research collaborations with Russia to be put on hold. The German Research Foundation (DFG) is suspending all collaborations between German and Russian scientists. The German Rectors’ Conference (HRK) has terminated collaborations with Russian partner institutions in research and teaching until further notice.
This means the end of joint research projects, the exchange of scientists and students and joint study programmes. The European Commission is also ending scientific collaboration with Russian research institutions. Accordingly, Russian institutions are not to receive any new funding from the EU’s Horizon Europe research program, payments to Russian institutions will be suspended for existing funding contracts, and all ongoing collaboration projects with Russian participation will be reviewed.
In view of all these harsh measures, the question may arise about whether the wrong people are actually being hit, especially since there are voices from the Russian academic community, voices raised at great personal risk, that are very clearly opposed to the Russian invasion. Now, however, the Russian Union of University Rectors has explicitly backed Putin and supports his „hard-won but necessary decision“. Thus, to everyone’s horror, the official representation of the Russian academic system has declared its support for the war of aggression against Ukraine, so that the prompt reaction of the European University Association (EUA) to suspend the membership of Russian universities in this alliance can only be welcomed.
We are aware that the significance of these decisions should not be underestimated and that they will also have negative effects on academia here. Nevertheless, it should be clear to us: Russia must be put under pressure to end this war. It is to be deeply regretted that there is also collateral damage here and leads us to a final point of this, admittedly, not very edifying foreword: the Russian war of aggression must be condemned in the strongest possible terms and named for what it is – an unacceptable attack on the people of Ukraine, on their freedom and on our common values. As our own mission statement says: “The University is committed to peace and justice in the world.”
Professor Bernhard Brümmer
Vice-President for Research