Schutzmaßnahmen wegen Corona – warum, und warum ändern sie sich ständig?

Präsident Prof. Dr. Reinhard Jahn (Foto: Klein und Neumann, Iserlohn)
Präsident Prof. Dr. Reinhard Jahn (Foto: Klein und Neumann, Iserlohn)

Liebe Mitarbeiter*innen,
liebe Lehrende und
liebe Studierende,

ich hoffe, Sie hatten alle einen erholsamen Sommer und kommen mit frischer Kraft zurück!

Leider wird das SARS-CoV-2-Virus noch lange unseren Alltag bestimmen. Dies wird sich nicht ändern, bis ein wirksamer und sicherer Impfstoff sowie eine effektive Therapie zu Verfügung stehen. Daher werden wir in der Universität auch im kommenden Semester nur eingeschränkt Präsenzveranstaltungen anbieten können und Regeln erlassen, die immer wieder angepasst werden müssen. Viele von Ihnen sind darüber irritiert. Ich kann das gut verstehen, zumal der Sinn dieser Regeln sich nicht allen erschließt. Daher möchte ich Ihnen erläutern, welche Erkenntnisse unserem Handeln zugrunde liegen (herzlichen Dank an Prof. Dr. Simone Scheithauer von der UMG, die diesen Text kritisch gegengelesen hat).

Ziel aller Schutzmaßnahmen ist es, das weitere Ausbreiten des Virus zu verlangsamen, um Infektionsketten überschaubar zu halten und unsere intensivmedizinischen Kapazitäten nicht zu überlasten. Dies erfordert eine Vorhersage des Ausbreitungsgeschehens unter verschiedenen Randbedingungen, die man mit inzwischen recht ausgefeilten mathematischen Modellen vornehmen kann. Dabei muss man Annahmen über den Anteil der Infizierten in der Bevölkerung machen sowie das Risiko einer Ansteckung bei jedem Event abschätzen, bei dem Menschen zusammenkommen.

Wichtigstes Ziel auch unseres Handelns als Universitätsleitung ist das quantitative Abschätzen des Restrisikos – absolute Sicherheit kann man nicht garantieren. Angenommen, eine von tausend Personen ist mit SARS-CoV-2 infiziert und Sie sind in einem Seminar mit 20 Personen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass unter diesen 20 Personen ein/e Infizierte/r dabei ist, gering – sie liegt bei knapp 2%. Nehmen wir an, dass unter den Teilnehmenden des Seminars dennoch ein/e Infizierte/r dabei ist, dann muss auch das nicht gleich zu einer Ansteckung führen, besonders, wenn Sie vorsichtig sind und präventive Maßnahmen ergreifen. In das Abschätzen des Restrisikos gehen also zwei Annahmen ein: (1) Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein oder mehrere Infizierte an der Veranstaltung teilnehmen? Und (2) wenn das der Fall ist, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass diese Person(en) andere anstecken?

Aus diesem Grund ist es so schwierig, verbindliche und längerfristig geltende Regeln zur Durchführung von Veranstaltungen aufzustellen. Wenn ich wenige Seminare unter den oben angesprochenen Bedingungen zulasse, ist das Risiko vertretbar. Wenn es allerdings hunderte Veranstaltungen sind, ist es das nicht mehr.

Während sich der Anteil von Infizierten an der Gesamtbevölkerung inzwischen besser als noch vor wenigen Monaten abschätzen lässt, ist es nach wie vor schwierig, das Ansteckungsrisiko bei Veranstaltungen zu ermitteln. Wir müssen jeden einzelnen Typ von Veranstaltung gesondert bewerten. Dabei hilft, dass man in den vergangenen Monaten viel über Ausbreitung und Ansteckungswege von SARS-CoV-2 gelernt hat.

Die Ansteckung mit SARS-CoV-2 erfolgt in erster Linie über die Atemluft. Beim Ausatmen und viel mehr noch beim Sprechen, Singen oder gar Sporttreiben stoßen wir zahllose mikroskopisch kleine Tröpfchen aus, die bei einer infizierten Person viele Viruspartikel enthalten können. Die größeren dieser Tröpfchen breiten sich nicht weiter als ein bis zwei Meter aus, sondern fallen auf den Boden – daher die entsprechenden Abstandsregeln. Aber: Bei kleineren und leichteren ausgeatmeten Tröpfchen, die nicht so schnell auf den Boden fallen, verdunstet ein Großteil des Wassers innerhalb von Sekunden bis Minuten. Dadurch bildet sich ein Aerosol, bei dem zunächst Restwasser in einer sich um die Viruspartikel bildenden Schleimhülle gebunden bleibt. Diese Aerosole können lange in der Luft schweben bleiben. Inzwischen ist erwiesen, dass solche Aerosole ebenfalls infektiös sein können. Sie haben alle wahrscheinlich von Chorproben gehört, bei denen die Abstandsregeln eingehalten wurden, aber dennoch eine einzelne infizierte Person sehr viele andere Personen angesteckt hat. Irgendwann werden die Viren in den Aerosolpartikeln beschädigt – sei es durch UV-Strahlung (Sonne) oder durch weiteres Austrocknen – und ihre Infektiosität nimmt ab. Wie lange das dauert, hängt von den Bedingungen ab: Draußen, in der Sonne und wenn es warm und trocken ist, sind es wohl nur Sekunden, aber bei niedrigen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit können solche Aerosole stundenlang infektiös bleiben.

Aus diesen Erkenntnissen erklären sich Schutzmaßnahmen, die die Gefahr einer Ausbreitung reduzieren. Generell gilt die „AHA-Regel“ des Robert Koch-Instituts: Abstand (1,5 Meter), Hygiene (Husten nur in die Armbeuge, regelmäßiges Händewaschen mit Seife, Berührung von Augen, Nase, Mund vermeiden) und Alltagsmasken. Im folgenden weitere Erläuterungen, die die Schutzmaßnahmen an unserer Universität betreffen

Mund-Nasen-Schutz (Masken)
Masken (Mund-Nasen-Schutz), selbst einfache Stoffmasken, halten beim Ausatmen größere Tröpfchen gut zurück. Das heißt, sie schützen weniger mich selbst vor Ansteckung als andere Menschen – für den Fall, dass ich, ohne es zu wissen, Virusträger*in bin. Ihre Schutzwirkung ist inzwischen unzweifelhaft nachgewiesen. Daher ist es beispielsweise sehr sinnvoll, bei einer Klausur mit mehreren Personen in einem Raum Masken zu tragen, auch wenn es nervt. Idealerweise sollte man Masken auch beim Sprechen aufbehalten, denn gerade dabei vervielfacht sich die Menge der ausgestoßenen Tröpfchen. Das ist natürlich sehr unpraktisch. Doch bei einem Meeting oder Seminar, bei dem viele Personen sprechen und bei dem keine Masken getragen werden, besteht ein sehr viel höheres Ausbreitungsrisiko als wenn nur eine/r spricht und die anderen zuhören, insbesondere wenn Masken getragen werden.

Veranstaltungen in geschlossenen Räumen
Da sich in geschlossenen Räumen Aerosole über die Zeit in der Luft anreichern, sollten uns die geltenden Abstandsregeln nicht in Sicherheit wiegen – insbesondere nicht bei längeren Veranstaltungen (zum Beispiel Gremiensitzungen, Diskussionsgruppen). Was eher hilft, ist häufiges Lüften (hohe Luftwechsel-Raten), was aber nicht überall möglich ist. Das gilt auch, wenn Sie sich privat treffen. Ungenügender Luftaustausch erklärt auch, warum man Fahrstühle möglichst meiden sollte – das Raumvolumen ist sehr klein und die Aerosole bleiben in der Luft, wenn eine infizierte Person bereits ausgestiegen ist. Veranstaltungen sollten somit nach Möglichkeit nur in Räumen stattfinden, die ausreichend gelüftet werden können.

Bildung von getrennten Teams
Wenn man für ein Praktikum oder eine Exkursion kleine Teams bilden muss, sollten die Teams untereinander keinen Kontakt haben. Wenn eine Person in einem Team infiziert ist, ist das Risiko, dass sich die anderen Team-Mitglieder anstecken, natürlich hoch. Die anderen Teams werden aber nicht infiziert – die Infektion bleibt begrenzt, und es kommt nicht zu einem „superspreader event“. Hier wird deutlich, dass es nicht in erster Linie um den Schutz der einzelnen Menschen geht, sondern um die Verhinderung der Ausbreitung des Virus. Auch im Präsidium haben wir gleich am Anfang der Krise die Teams der drei hauptamtlichen Präsidiumsmitglieder räumlich getrennt – wenn ein Team infiziert wird (was glücklicherweise noch nicht passiert ist), sind die beiden anderen Teams nicht betroffen und bleiben arbeitsfähig.

Regelmäßige freiwillige Reihentests
Eine letzte Maßnahme, an deren Umsetzung wir derzeit mit Hochdruck gemeinsam mit der UMG und unseren Campus-Partnern arbeiten, sind flächendeckende und regelmäßige SARS-CoV-2-Tests von allen Universitätsangehörigen, die dazu bereit sind. Damit kann man das Eingangsrisiko, dass bei einer Veranstaltung eine infektiöse Person anwesend ist, viel besser kontrollieren. Sobald die Tests verfügbar sind und von einem genügend hohen Anteil von Universitätsangehörigen auch freiwillig angenommen werden, haben wir in der Universität deutlich mehr Sicherheit bei dem von uns für das Wintersemester geplanten Präsenzbetrieb. Hierzu werde ich Sie gesondert informieren.

Ich hoffe, diese Erläuterungen helfen Ihnen nicht nur dabei, unser Handeln als Universitätsleitung nachzuvollziehen, sondern auch dabei, die Risiken selbst besser einzuschätzen und sich nicht nur in der Universität, sondern auch privat so zu verhalten, dass Sie und andere möglichst nicht infiziert werden.

Bitte passen Sie auf sich und andere auf. Wenn wir uns alle an die Regeln halten und aufeinander Rücksicht nehmen, werden wir diese Krise hoffentlich unbeschadet überstehen.

Ihr

Reinhard Jahn
Präsident

weitere Informationen zu den Regelungen und Schutzmaßnahmen an der Universität: